Haushaltsrede 2022
Sehr geehrte Frau Jenniches, sehr geehrter Herr Bürgermeister, verehrte Ratskolleginnen und Ratskollegen, liebe Zuhörer,
ich habe in diesem Jahr ernsthaft darüber nachgedacht, auf eine Haushaltsrede zu verzichten. Werde aber nun doch einige Gedanken dazu äußern.
Eine OECD-Studie besagt, dass in Dänemark 64 % der staatlichen Ausgaben direkt durch die Kommunen geleistet werden, in der Schweiz 56 %, in Schweden 48 %. In Deutschland 16 %.
Und da sind wir beim Problem! Eigentlich haben wir hier nichts oder nur sehr wenig zu entscheiden. Der Großteil unserer Ausgaben – vermutlich mehr als wir einnehmen – ist vorgegeben, sogenannte Pflichtaufgaben der Kommune.
Investitionen können wir uns nur leisten, weil wir bürokratische Förderrichtlinien oft im Schweinsgalopp erfüllen.
Radwege müssen dann als 3m breite Autobahnen mit Kahlschlag der vorhandenen Natur geplant werden. Fußwege mit üppigem, pflegeintensivem Beiwerk aufgemischt werden.
Radstreifen an Hauptverkehrsstraßen eingerichtet werden, die sowohl Autofahrer als auch Radfahrer eher verunsichern,
Parkplätze können nicht da angelegt werden, wo sie gebraucht werden, weil dort laut Regelwerk 10cm Raum fehlen. … und und und …
Diese Beispiele habe ich häufig kritisiert – anerkenne aber auch, dass der Bürgermeister sehr findig ist im Aufspüren neuer Fördermöglichkeiten. ISEK- Maßnahmen und Projekte wie die Charlottenburg, der Blücherplatz oder jetzt aktuell der Elsternweg wären ohne sehr hohe Förderquoten niemals realisierbar gewesen – auch nicht in einfacherer Ausführung!
Bei allen diesen Maßnahmen und mit Blick auf die weiteren Projekte wie die Feuerwehrhäuser und der Kindergarten am Spritzenhaus, die noch zur Realisierung anstehen, müssen wir uns auch ehrlich fragen, was ist noch mit der Arbeitskraft der Verwaltung zu bewältigen und wo muss man – Förderung hin oder her – mit Blick auf Umsetzung und Folgekosten doch irgendwann sagen, darauf müssen wir jetzt verzichten.
Priorität hat für uns die Realisierung des KiTa-Neubaus in Lenzinghausen und die Errichtung der Feuerwehrhäuser in Lenzinghausen und Hücker-Aschen.
Der jetzt vorliegende Haushaltsplan, zweimal durch Frau Jenniches umsichtig korrigiert, weist ein Minus von fast € 2,8 Millionen aus. Bedingt durch den Buchungstrick des CIG sind es offiziell nur € 823.926. Es besteht Hoffnung, aufgrund der vorsichtigen Kalkulation, dass der Verlust am Ende des Jahres etwas geringer ausfällt.
Wir sind aber ungefähr wieder in der Größenordnung, wo wir 2015 vor Erlass der Nachhaltigkeitssatzung und der drastischen Erhöhung der Grundsteuer lagen, bei einem strukturellen Defizit von jährlich annähernd € 3 Millionen.
Wir haben in den guten Haushaltsjahren 2018-2021 Gewinne in Höhe von € 2,7 Millionen ausgewiesen, wobei man hier bedenken muss, dass wir bereits Corona- Sonderverluste von € 3,8 Millionen in 2020 und 2021 angehäuft haben. Die Erträge der letzten Jahre sind schon wieder aufgefressen. Bis 2025 sind die Sonderverluste mit rund € 9,2 Millionen prognostiziert. Ohne einen zusätzlichen Cent Liquidität – alles als weitere Kassenkredite. Der Krieg Russlands in der Ukraine birgt jetzt neue Risiken, die wir noch überhaupt nicht fassen können.
Eine Perspektive, die angehäuften Schulden jemals zurückzahlen zu können, gibt es nicht. Wir bewegen uns zu griechischen Verhältnissen und die Entwicklung der Inflation zeigt auch, dass Wertschöpfung im Land die Grundlage für staatliche Sozialleistungen und Ausgaben bleibt. Das verteilte Geld muss erwirtschaftet werden und kommt eben nicht nur aus dem Bankautomaten.
Die Kreisumlage steigt von 2021-2025 um 32 % an. Mehrbelastung ohne Ausgleich für uns: € 3,3 Millionen. Umlagefinanzierte Haushalte haben es hier leicht, an der Schraube zu drehen und Kosten nach unten durchzureichen.
Ob der Kreis in dieser Zeit tatsächlich seine Leistung und seine Aufgaben auch um über 30 % steigert, darf sehr wohl bezweifelt werden, auch aufgrund vieler Erfahrung, die man in den vergangenen Monaten im Umgang mit den Kreisbehörde machen durfte … größere Verwaltungseinheiten haben sich in der Corona Pandemie als noch weniger krisenresistent erwiesen, als man das In den schlimmsten Vorstellungen befürchtet hatte – hier seien exemplarisch das Straßenverkehrsamt und das Gesundheitsamt genannt – bei allen Belastungen, die es dort zweifelsohne gegeben hat.
Was bedeutet das jetzt für unsere Demokratie?
Wir beklagen, dass man kaum Menschen für kommunalpolitische Mitarbeit aktivieren kann. Es wird darüber nachgedacht, die Räte zu verkleinern, da man nicht mehr genügend Kandidaten findet …
Soll das wirklich die Lösung sein? Schränken wir die Demokratie und Beteiligung vor Ort ein, weil keiner mehr mitmacht?
Wir sollten mehr Mitwirkung ermöglichen, wie in Dänemark. Mehr Geld in die Kommunen geben. Mehr Entscheidungsfreiheit auf die Kommune verlagern. Offene Beteiligungsverfahren, Bürgerräte, Bürgerentscheide. Neue Wahlsysteme mit stärkerer Persönlichkeitswahl und Zeitbegrenzungen für Amt und Mandat, weg von starren Parteistrukturen und Fraktionszwang. Dies sind Ideen für Transparenz und Partizipation!
Dies setzt aber Umdenken und Bereitschaft voraus, Macht aufzugeben und endlich gegenzusteuern und unser Staatswesen so zu organisieren, dass dort demokratische Mitwirkung möglich ist, wo die Bürger auch die direkten Folgen der Entscheidung spüren, bevor wir noch mehr Menschen an autokratische und diktatorische Ideen verlieren.
Wenn die Toiletten in den Schulen stinken, die Straßen voller Schlaglöcher sind und die Sportanlagen geschlossen werden, weil die Kommunen kein Geld für die Unterhaltung haben, dann ist der Staat als Ganzes verantwortlich und verliert Akzeptanz und Vertrauen!
Dies alles sind Themen, die wir hier in dieser Haushaltsdebatte natürlich heute nicht lösen können, die aber Antworten in der politischen Diskussion erfordern!
Zurück zum Haushalt: da möchte ich mich dann tatsächlich kurzfassen: Wir von der UWG werden den vorgelegten Haushaltsplan zustimmen, die Kämmerin und den Bürgermeister weiterhin in der soliden Finanzführung unterstützen. Man kann sicherlich in Einzelpositionen über Ansätze geteilter Meinung sein, die Grundausrichtung ist aber richtig gewählt.
Unser im Hauptausschuss in die Diskussion geworfener Vorschlag über eine moderate Angleichung der Gewerbesteuer von 10 Punkten an den Kreisschnitt
nachzudenken, wurde allgemein als zu früh bewertet. Wir werden das Thema im Auge behalten und im Herbst nochmal neu anschauen, mit Blick auf eine Änderung zum 01.01.2023.
2015 haben wir in erheblichem Maße die privaten Grundstücksbesitzer über die Grundsteuer belastet, natürlich auch die Gewerbeflächen. Derzeit entwickeln sich unsere Gewerbebetriebe noch sehr gut, s.d. hier eine wirklich moderate und zurückhaltende Teilhabe auch vertretbar erscheint.
Wir müssen uns darüber klar sein, dass alle zusätzlichen Ausgaben, die wir hier heute beschließen weitgehend 1:1 in erhöhte Kassenkredite laufen, die die Bürger eines Tages über höhere Grundsteuern zurückzahlen müssen oder die über Inflation und Wohlstandsverlust der gesamten Gesellschaft abgebaut werden.