Sehr geehrte Frau Jenniches, sehr geehrter Herr Bürgermeister, liebe Ratskolleginnen und Ratskollegen,
Warum machen wir Kommunalpolitik?
Jeder von uns hier im Rat wird sicher seine eigene Motivation und Antwort dazu haben. Finanzielle Gründe werden es eher nicht sein. Seinen Lebensunterhalt kann man mit den Ratsentschädigungen und Sitzungsgeldern kaum bestreiten. Für den zeitlichen Aufwand, den viele von uns leisten, sind die Entschädigungen eher gering.
Ein berufliches Sprungbrett in die Bundes- oder Landespolitik kann es für wenige sein oder werden. Das erfordert aber ein Höchstmaß an Anpassungswilligkeit an die Parteistrukturen und vielfach die Aufgabe von Überzeugungen und Werten.
Aufmerksamkeit erhalten, in der Öffentlichkeit auftreten, sich wichtig machen oder fühlen. Sicherlich für manche eine Motivation
Die meisten von uns werden – so wie ich – den Anspruch verfolgen, etwas für die Allgemeinheit zu tun und das Lebensumfeld in unserer Stadt, in der wir alle leben und beheimatet sind, zu gestalten.
Fast alle von uns sind auch noch irgendwo anders tätig: In Sportvereinen, in den Kirchengemeinden, bei der Feuerwehr oder im DRK, im Bürgerbusverein, in der Arbeit von Asyl Spenge, im Werburg-Verein oder anderen Organisationen. Viele sind sogar an mehreren Stellen engagiert, kennen die Mühen, die mit solchem Einsatz verbunden sind, machen es aber aus Überzeugung und auch mit Freude.
Aber wo bleibt diese Freude in der derzeitigen Situation im kommunalpolitischen Bereich und können wir das Lebensumfeld in unserer Stadt mit unserer Politik überhaupt noch gestalten? Können wir unter den aktuellen Gegebenheiten anderen noch empfehlen und sie motivieren sich für unsere Stadt, die Gemeinschaft, die Demokratie einzusetzen?
Die kommunale Selbstverwaltung ist als Ziel sogar im Grundgesetz verankert. Die Realität der letzten Jahre hat uns aber weit davon entfernt. Oft habe ich dies bereits an dieser Stelle beklagt.
Immer wieder werden neue Aufgaben geschaffen und anfinanziert, anschließend die Kommune in der langfristigen Umsetzung aber allein gelassen.
Man kann an dieser Stelle sagen: Wir sind nicht mehr bereit, dies mitzumachen und lehnen es ab. In der Konsequenz für heute würde es bedeuten: Wir lehnen den Haushalt ab
Nur, welche Folge hat das? Ohne beschlossenen Haushalt ist die Verwaltung (und auch der Rat) nicht mehr entscheidungsfähig. Die Aufsichtsbehörden würden vermutlich einen Kommissar bestellen, der Einsparungen oder Steuererhöhungen ohne Mitwirkung des Rates festlegen würde, um die sogenannten „Pflichtaufgaben“ abzuwickeln.
Das nimmt uns dann endgültig die Entscheidungsmöglichkeit und verhindert Entwicklung in Spenge!
Wir als gewählte Ratsvertreter haben von den Bürgern unserer Stadt eine Verantwortung für Spenge bekommen und die wollen wir auch wahrnehmen.
In der Diskussion um den Haushalt hat es in unserer Fraktion ein sehr kontroverses Stimmungsbild gegeben. Diese Kontroverse wird sich letztlich auch im Abstimmungsverhalten über den Haushalt zeigen.
Eigenständig sind wir nicht mehr in der Lage, die Aufgaben zu erledigen! Daher die Aufforderung: Landes- und Bundespolitik reagiert und stellt die kommunale Selbstverwaltung wieder her! Gebt den Kommunen in NRW die Finanzkraft, dass sie ihre Aufgaben erfüllen und das Lebensumfeld vor Ort gestalten können! Wir haben hierzu eine gemeinsame Erklärung formuliert, die wir als begleitenden Beschluss zum Haushalt miteinbringen und hiermit für Unterstützung werben!
Natürlich sind solche Erklärungen häufig Papiertiger und ihre Wirkung fragwürdig.
Natürlich könnten wir den Weg der Buchungstricks durch Verlustvorträge und Verschiebung der Verluste auf die Zeit nach der Kommunalwahl nutzen. Viele Kommunen um uns herum machen das.
Hier waren sich in der Diskussion der letzten Monate aber alle einig. Dieses Schlupfloch nicht zu nehmen, sondern klar Farbe zu bekennen, dass wir am Ende der haushaltspolitischen Fahnenstange angekommen sind.
Das HSK, das wir nun auf den Weg bringen, nutzt in vielen Bereichen die Möglichkeiten, die das Haushaltsrecht bietet. Wie den globalen Minderaufwand. Es legt vom Land vorgegebene Rahmendaten zugrunde, die sehr positiv gedacht und schöngerechnet sind. So wird mit kontinuierlicher Steigerung der Grundsteuer bis 2034 ein fiktiver Ausgleich berechnet, den es in der Realität unter den vorhandenen Rahmenbedingungen gar nicht geben wird.
Ein Haushaltsausgleich nur über die Grundsteuer ist weder möglich noch sinnvoll. Aktuell brauchten wir fast den 3-fachen Satz! Wohnen würde unbezahlbar und gewerbliche Nutzung von Grundstücken unrentabel!
Die jetzt vorgesehene Rückkehr auf die Grundsteuer-Sätze, die wir bis 2020 bereits hatten, ist vertretbar. Schwer zu vermitteln ist, dass jetzt in der Jahresmitte die Grundsteuer rückwirkend für das ganze Jahr erhöht wird. Zwei Zahlungstermine sind bereits verstrichen und die „gefühlte“ Erhöhung wäre doppelt. Aus diesem Grund schlagen wir vor, die Erhöhung auf zwei gleiche Teile für 2024 und 2025 festzuschreiben. Welche Verwerfungen uns durch die Grundsteuerreform im kommenden Jahr noch zusätzlich treffen werden, wird noch zu diskutieren sein.
Das offensichtliche Einsparpotential ist gering. Mit dem Thema „freiwillige Leistungen“ haben wir uns in den letzten Wochen in der Diskussion befasst. Eine Mehrheit im Rat hat mit dem – zweifellos wünschenswerten und sinnvollen – Deutschlandticket für alle Schüler gegen unsere Stimmen eine neue Kostenposition von mindestens €75.000 geschaffen, für die es aber keine Finanzierung gibt. Andere Positionen wie Freibad, Bücherei, Sportanlagen, Werburg Museum, Bürgerzentren, aber auch kleinere Zuschüsse für Vereine, Feste, ökologische Projekte schaffen nicht die notwendigen Einsparungen und wären richtig schmerzhaft für unsere Stadt und die Bürger. Sie machen einen großen Anteil der Lebensqualität aus und sind wichtige Standortfaktoren für Spenge.
Wo gibt es also Ansatzpunkte für Veränderung?
Wir fordern dazu auf, das zu tun, was wir vor Ort leisten können – Struktur, Organisation und Arbeitsweise der Verwaltung einer Grundüberprüfung zu unterziehen – städtische Aufgaben und Einrichtungen kritisch zu prüfen und auch zu hinterfragen. Der Blick von oben oder von außen auf Prozesse und Organisation bietet mit Sicherheit Potential für Einsparungen. Dazu haben wir im Personalbereich vorhin bereits Vorschläge gemacht. An dieser Stelle wollen wir alle Positionen im Haushalt durchleuchten
Die Unterhaltung und der Erhalt der kommunalen Infrastruktur, der Gebäude und der Straßen ist eine Kernaufgabe der Kommune und ist seit Jahrzehnten unterfinanziert. Wie oft haben wir schon beklagt, dass kein Geld zur Straßenunterhaltung zur Verfügung steht, dass die Reinigung und Unterhaltung in Schulen und Gebäuden nur im geringstmöglichen Umfang erfolgt oder immer weiter eingeschränkt wird. Solche Mängel werden direkt von den Bürgern vor Ort wahrgenommen und schaden dem Vertrauen in unsere Staatsorganisation.
Durch Förderprogramme hat sich in Spenge in den vergangenen Jahren viel getan. Vieles konnte umgesetzt werden. Das haben wir auch an vielen Stellen mitgetragen und versucht zu entwickeln und zu gestalten; wie beim Blücherplatz. Der Erfolg der Umsetzung gibt häufig recht.
Manchmal treffen die Förderprogramme uns unverhofft – siehe Charlottenburg – Häufig sind sie von den örtlichen Realitäten weit entfernt oder erfordern eine überdimensionierte Umsetzung – siehe Elsternweg oder Martinsweg.
Wir erleben aber auch ISEK-Maßnahmen, die heute vermutlich nicht mehr so beschlossen werden würden – wie den Martinspark, oder die von Anfang an fragwürdig waren und Fakten schaffen, die uns langfristig weiter belasten werden – wie das klimaneutrale Rathaus mit einem Multifunktionssaal, der nicht wirklich benötigt wird. Städtebaulich notwendige Maßnahmen, wie eine Veränderung im Bereich Lönsweg/Krusenplatz/Biermannstraße, können aus diversen Gründen aber nicht angegangen werden.
Viele Förderprogramme bedürfen eines Eigenanteils, den wir oft nur durch Verschiebung in den Wirtschaftsbetrieb finanzieren können, und haben Folgekosten in der Pflege und Unterhaltung, die wir als steigende Kosten bei Personal und Bewirtschaftung im Kernhaushalt wiederfinden, aber nicht wirklich wahrnehmen können und wollen.
Gemacht wird nur, was durch ein Förderprogramm zu realisieren ist. Wichtige Projekte für die es aber kein Programm gibt, wie die Umkleidekabinen am Sportplatz in Bardüttingdorf sind so niemals umsetzbar.
Es bleibt dabei: Es gibt es viele Aufgaben und viel Verantwortung, für die wir gewählt sind, die wir übernommen haben und denen wir uns stellen wollen und deshalb werden wir den Haushalt auch nicht ablehnen. Das Aufstellen des HSK ist allerdings nur der erste Schritt. Die Herausforderung wird sein, in der Diskussion und Abwägung in der kommenden Zeit Spenge an die Veränderungen anzupassen, aber auch nach oben deutlich zu machen, dass dies nicht allein vor Ort gelöst werden kann!
Wir haben in unserem Flyer zur Kommunalwahl 2020 Aristoles zitiert „Wir können den Wind nicht ändern, aber die Segel anders setzen“ Die auch von der Verwaltung häufig genutzte Aussage „das geht nicht, weil …“ kann keine Ausrede mehr sein. Wir müssen das Denken und Handeln verändern, Effizienz und Zielorientierung in den Vordergrund stellen und Denk- und Handlungsblockaden überwinden.