Haushaltsrede 2023
Sehr geehrte Frau Jenniches, sehr geehrter Herr Bürgermeister, verehrte Ratskolleginnen und Ratskollegen, liebe Zuhörer,
„Sicher ist, dass nichts sicher ist“. Selten war dieser Satz von Joachim Ringelnatz treffender als in diesem Jahr. Das macht es nahezu unmöglich eine Haushaltsplanung vorzulegen, die den gesetzlichen Anforderungen, der politischen Vernunft und der Verantwortung für die zukünftigen Generationen gerecht wird.
Die Gemeindeordnung NRW schreibt im Artikel 75: „Die Gemeinde hat ihre Haushaltswirtschaft so zu planen und zu führen, dass die stetige Erfüllung ihrer Aufgaben gesichert ist. „Der Haushalt muss in jedem Jahr in Planung und Rechnung ausgeglichen sein.“ „Die Gemeinde darf sich nicht überschulden. Sie ist überschuldet, wenn nach der Bilanz das Eigenkapital aufgebraucht ist.“
Können wir diese Anforderungen erfüllen?
Schaut man auf die Zahlen stehen Erträgen von ca. € 28 Mio. Aufwendungen von fast € 34 Mio. gegenüber. Ein Verlust von über € 5,6 Mio. Schöngerechnet durch rund € 4 Mio. Sondererträge, die bis 2026 in jedem Jahr neu isoliert werden können. Auf dem Corona-Ukraine-Isolierungskonto sollen 2026 mehr als €21 Mio stehen. Demgegenüber stehen 2023 € 14,7 Mio Eigenkapital und Ausgleichsrücklage – damit sind wir alleine mit der Isolierung faktisch überschuldet, ohne die noch weiter anfallenden „normalen“ Verluste, die bis 2026 prognostiziert werden. Wir erinnern uns: „Die Gemeinde darf sich nicht überschulden.“
Können wir es ändern?
Betrachten wir die Aufwendungen: Fast € 13 Mio Kreis- und Jugendamtsumlage werden uns vom Kreis vorgegeben… Rund € 6,5 Mio Personalaufwendungen. Der Personaletat ist uns soeben als notwendig vorgestellt worden. Das macht zusammen fast € 20 Mio – über 55% der Aufwendungen. Dann noch: Rund € 2,3 Mio Gebäudeunterhaltung, € 2,3 Mio Betriebskostenzuschuss für Wirtschaftsbetrieb, € 830.000 Schulbeförderungskosten, € 779.000 Leistungen nach Asylbewerberleistungsgesetz, € 1,7 Mio Abschreibungen, ein paar weitere kleinere Posten. Allesamt Pflichtaufgaben. Wenig zu beeinflussen.
Wo kann man ansetzen?
Bei den sogenannten „freiwilligen Leistungen“ … wie wir sie gerade eben beschlossen haben – € 65.000 für ein Schülerticket, dass nicht im Verantwortungsbereich der Stadt steht. Oder in Einrichtungen wie der Musikschule, dem Freibad, der Bücherei, dem Werburg-Museum, den Spielplätzen und Sportplätzen. Wenn man diese alle schließen würde, verbunden mit den Konsequenzen für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und für das Leben in unserer Stadt, sprechen wir vielleicht über eine Einsparung vom €800.000. Bliebe weiterhin ein Defizit von mehr als €4,5 Mio.
Und die Einnahmen?
Unsere größten Einnahmeposten sind der Gemeindeanteil an der Einkommens- und Umsatzsteuer, die der Bundesgesetzgebung unterliegen, mit rund € 8,8 Mio und die Schlüsselzuweisungen des Landes NRW mit nur €2,55 Mio. Seit Jahren steigt die Verteilungssumme des Landes kontinuierlich. Immer wieder wird der Berechnungsschlüssel zum Nachteil von kleinen kreisangehörigen Kommunen verändert.
Positiv gestaltet sich seit einigen Jahren die Entwicklung der Gewerbesteuer. € 6 Mio sind angesetzt. Die Einnahmen sind aber sehr stark abhängig von geschäftlichen Entwicklungen und Entscheidungen einzelner Unternehmen, die die Stadt Spenge kaum beeinflussen und kontrollieren kann. Verglichen mit Nachbarkommunen haben wir weiterhin mit Abstand die geringsten Gewerbesteuereinnahmen im Kreis.
Gebühren und Beiträge für Leistungen der Kommune können wir in gewissem Rahmen selbst steuern und beeinflussen, wie die Hundesteuer oder Eintrittspreise für das Freibad, Straßenreinigungsgebühren oder OGS- oder Musikschulgebühren.
Bliebe noch die Grundsteuer: ca € 2,8 Mio sind kalkuliert. – um das Defizit auszugleichen müssten wir diese verdreifachen!! – können oder wollen wir das den Menschen in unserer Stadt zumuten – wo wir ohnehin seit der Konsolidierungsanstrengung 2015 mit Abstand die höchsten Sätze im Kreis haben?
Zurück zu Artikel 75 heißt das: wir sind nicht mehr in der Lage, mit den Einnahmen die gesetzlich vorgeschriebenen Aufgaben zu bestreiten! Die Folge sind Ende 2022 über € 23 Mio Liquiditätskredite mit steigender Tendenz – und dem damit verbundenen Zinsrisiko – 1% mehr Zinsen bedeutet €230.000, fast soviel wie wir als Betriebskostenzuschuss für das Freibad an die Stadtwerke Herford zahlen.
Es ist keine neue Erkenntnis und wir von der UWG fordern seit Jahren:
Das kommunale Finanzsystem in NRW muss grundlegend verändert werden, wenn die Kommunen ihre Aufgaben erfüllen sollen. Egal welche Parteienkonstellation auch immer die Landesregierung stellt – eine substanzielle Änderung gibt es nicht! – in anderen Bundesländerfunktioniert dies auch anders. Stattdessen wird mit der Anfinanzierung von weiteren neuen Aufgaben oder mit Förderprogrammen für Infrastrukturprojekte weitergemacht. Die langfristige Unterhaltung und die Betriebskosten bleiben als zusätzliche Aufgaben bei den Gemeinden. Kitas, ÖPNV, Krankenhäuser oder der OGS-Betrieb sind seit langem nicht auskömmlich und kostendeckend finanziert. Die Defizite tragen die kommunalen Haushalte. Irgendwie konnten die Kommunen sich immer weiterwurschteln, oder das Land hat wie mit dem NKF-CUIG kurzerhand Buchungstricks legitimiert, die dies verdecken.
Vorgelebt wird es auch auf Bundesebene: Neuverschuldung wird in sogenannte „Sondervermögen“ verschoben. Der Staat schafft sich immer mehr Aufgaben, reguliert viele Bereiche mit immer kleinteiligeren und teilweise sich widerstrebenden Vorschriften. Die explodierenden Baukosten sind zu einem nicht unerheblichen Teil hierin begründet.
Er baut eine immer größere Verwaltung mit hoch bezahlten Beamten in den Ministerien auf, die zunehmend damit beschäftigt sind, sich selbst und ihre Vorschriften zu verwalten, oder plant überdimensionierte Bauprojekte wie beispielsweise am Kanzleramt.
Der Zustand der Bahn, der Autobahnbrücken, die Energiepolitik der explodierenden Preise oder die Umsetzung des Glasfaser-Netzaufbaus zeigt, das wichtige Grundaufgaben zur Funktion und Erhaltung der Infrastruktur ungelöst sind und unserer wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit auf der Strecke bleibt.
Die Bundes- und Landespolitik berücksichtigt häufig Einzelinteressen von Quoten- und Randgruppen, übersieht aber, dass unser Staat nur funktioniert und finanziert wird durch Industrie und Dienstleistungen, durch die Wertschöpfung, die in Deutschland erzeugt wird. Nur wenn dort Steuereinnahmen erwirtschaftet werden, können diese für staatliche Ausgaben genutzt werden.
Was kann das jetzt für uns in Spenge bedeuten?
Nein zum Haushalt? Das hieße Blockade. Nichts, auch nicht die notwendigen und sinnvollen kleinen Maßnahmen könnten durchgeführt werden. Kahlschlag und Streichung sämtlicher nicht verpflichtenden Leistungen und Verdreifachung der Grundsteuer?
Würde möglicherweise einen kurzfristigen Ausgleich erzielen und dem Land zeigen, wir bekommen es ja doch irgendwie hin. Allerdings mit der Konsequenz, dass die Lebensqualität in Spenge deutlich abnehmen würde. Wirkt allerdings auch nur bis zum nächsten „Einschlag“, der uns von außen trifft.
Wo können wir – zweifellos für alle schmerzhafte – Änderungen vornehmen, wenn wir die Einnahmen betrachten? Eine kontinuierliche Steigerung bei OGS-Gebühren, Grundsteuer, Hundesteuer, Straßenreinigungsgebühren, Musikschul-Beiträgen.
Hier fordern wir die anderen Fraktionen zum Überlegen auf und bieten an, in ergebnisoffene Gespräche und Berechnungen zu gehen. Einen ausgeglichenen Haushalt werden wir aber so nicht erreichen können!
Auf der Ausgabenseite müssen wir uns darüber klar sein, dass jedes geförderte Projekt Folgekosten verursacht und man solche Projekte nur noch realisieren sollte, wenn eindeutige Einsparungen die Folge sind.
Bei den aktuellen Projekten aus dem ISEK fällt auf: Der Martinspark schafft weiteren Unterhaltungsaufwand für den Bauhof. Und bringt uns die neue Heiztechnik im Rathaus tatsächlich so viele Einsparungen, dass damit die Errichtung eines zusätzlichen Sitzungsraumes zu begründen ist? Sicher würde er einiges vereinfachen, aber wirklich notwendig ist er nicht, da wir schon viele öffentliche Räume in Spenge haben.
Hier haben wir nach wie vor Zweifel, ob wir uns solche geförderten Investitionen weiterhin leisten können?
Mit Blick auf Investitionen in Wege, Plätze und Gebäude zB. für die Feuerwehr und Kitas müssen wir im Blick behalten, dass jeder neue Weg, jedes neue Gebäude auch verwaltet und unterhalten werden muss. Dies erfordert zusätzliche Arbeitskraft im Gebäudemanagement, auf dem Bauhof oder in der Finanzverwaltung. – Vielleicht ist weniger manchmal auch mehr, wenn es um kommunale Aufgaben geht.
Wir werden den Haushalt mittragen. Wir werden aber diese Überlegungen in Zukunft bei der Entscheidungsfindung noch stärker einfordern!
Die dicken Bretter, die hier gebohrt werden müssen, für eine substanzielle Verbesserung unserer Situation und der aller anderen Kommunen, liegen auf Landes- und Bundesebene.
Hier braucht es einem grundsätzlichen Umschwung – weniger Geldauschütten nach dem Gießkannenprinzip, weniger staatliche Bevormundung, weniger Vorschriften, weniger öffentlich-gelenktes Denken. Sondern gezielte Maßnahmen für Bildung und Infrastruktur, mehr Freiraum, Selbstverantwortung und Unternehmergeist. Leider scheint es auf Sicht hierfür keine politischen Mehrheiten zu geben. Die sogenannten „staatstragenden“ Parteien stehen eher für mehr, denn für weniger staatliche Lenkung und Reglementierung und selbsternannte Alternativen sind gewiss keine Alternative. Die geringe Wahlbeteiligung und die steigende Frustration über politische Entscheidungen ist ein Warnsignal, dass bisher ignoriert wird.
Noch ein paar Gedanken zu den Anträgen die uns heute noch im Laufe des Tages erreicht haben:
Zum CDU Antrag zur Begrenzung der Personalkostensteigerung:
Mit einem ähnlichen Antrag haben wir uns im vergangenen Jahr auch schon beschäftigt, der damals abgelehnt wurde. Es zeigt sich im Nachhinein, dass es nicht so ganz falsch war, auch damals darüber zu sprechen. Wobei wir 2022 nicht ahnten, dass in diesem Jahre weitere 4 Stellen eingerichtet werden sollen.
Wir haben bereits bei den Beratungen zum Stellenplan unsere Bedenken an einigen Stellen geäußert und werden diesem Antrag daher zustimmen.
Wir haben im aktuellen Stellenplan 106,5 Stellen gegenüber 94 in 2017. Innerhalb von 6 Jahren eine Erhöhung um 6 Stellen mehr als jemals vorher – allesamt begründet und begründbar, aber nun ist ein Punkt erreicht, vorallem mit Blick auf die Entwicklung des Haushalts und der Aufwendungen, wo wir erwarten müssen, dass die Verwaltung mit dem Personal zurechtkommt, Aufgaben effektiver organisiert oder nicht immer weitere Aufgaben übernimmt und keine weiteren Stellen schafft, außer in den beiden angegebenen Ausnahmefällen.
Zu den Anträgen zur Ratsverkleinerung:
Wenn auch die Argumentation verschieden ist, so ist doch das Ergebnis das gleiche:
CDU und SPD wollen Bürgerbeteiligung und Bürgernähe einschränken, indem die Anzahl der Ratsmitglieder verringert wird – mit dem vorgeschobenen Argument der Einsparung.
Zunächst mal vorweg, auch mit 28 Ratsmitgliedern wird die kommunalpolitische Arbeit in Spenge nicht zusammenbrechen. Natürlich ist es möglich auch in einem kleineren Rat effektiv zu arbeiten. Wenn ich beide Anträge richtig verstehe, sollen auch die Ausschussgrößen nicht verändert werden, s.d. in Zukunft vermehrt sachkundige Bürger mitarbeiten sollen. Sitzungsgelder fallen also weiterhin an – für sachkundige Bürger sind dies sogar € 30 pro Sitzung, Ratsmitglieder erhalten € 25.
Spenge hat schon die günstigere Variante der Landesregelung gewählt mit € 165 Pauschale und Sitzungsgeldern. Wir verzichten auch auf zusätzliche Entschädigungen für die Ausschussvorsitzenden. Bei einer auch möglichen Pauschale von €275 / Monat würden wir Ratsmitglieder sogar noch bessergestellt. Um diese heute zu erreichen, muss man jeden Monat an 4 Sitzungen teilnehmen, was nur sehr selten mal der Fall ist.
Wir sprechen also über eine Einsparung von € 165 Aufwandsendschädigung pro Monat. Macht bei 4 Ratsmitgliedern weniger € 7.920 im Jahr und dann noch 4 iPads, die nicht gekauft werden müssen – verteilt über 5 Jahre sind das vielleicht nochmal € 500 – € 600 pro Jahr – also insgesamt ca € 8.500 im Jahr – in 5 Jahren € 42.500.
Die in den Anträgen berechneten Zahlen sind höher … m.E. aber eine Fehlannahme, weil doch irgendwie Sitzungsgelder reingerechnet werden.
Der Glaube, dass sich Verwaltungskosten durch 4 Ratsmitglieder weniger reduzieren würden, ist sehr exklusiv bei der CDU vorhanden.
In den großen Fraktionen ist möglicherweise so, dass die Fraktionsführung glaubt auf einige Mitglieder verzichten zu können. Diese Ansicht wurde ja schon während der Diskussionen über Sonderregelungen während der Corona-Pandemie geäußert. Und vielleicht gibt es sogar das ein oder andere Ratsmitglied, dass in 5 Jahren nur durch Anwesenheit aufgefallen ist.
Für unser Verständnis kann ich nur sagen – wir stehen für Demokratie, die von Partizipation und Bürgernähe lebt und die wird vorallem durch die Teilhabe von Vielen realisiert!
Durch eine Verkleinerung des Rates wird die Schwelle ein Mandat zu erringen eher schwieriger, das Risiko der Zersplitterung durch Kleinstfraktionen oder -gruppen aber eher höher. Die Ratsarbeit insgesamt also erschwert. Außerdem wäre das Risiko weiterer Überhangmandate – die wir aktuell ja auch haben – bei einem Wahlergebnis wie 2020 sogar nochmal größer.
Letztendlich: Demokratie kostet Geld! – darüber müssen wir uns im Klaren sein.
Die Argumentation der SPD und der Vergleich mit der Wahlrechtsreform des Bundestages ist schon abenteuerlich. Wir als Ratsmitglieder erledigen unsere Tätigkeiten ehrenamtlich, für eine geringe Aufwandentschädigung. Bundestagsabgeordnete sind Berufspolitiker mit monatlichen Diäten von über € 10.000 und vielen weiteren Privilegien, wie zB einer üppigen Altersversorgung. – ich kann 40 Jahre und länger im Rat sein und verdiene dadurch nicht einen einzigen zusätzlichen Rentenpunkt.
Durch den sehr dem eigenen Vorteil der Regierungsfraktionen dienenden Vorschlag zur Wahlrechtsreform würde jetzt sogar die Sollstärke noch weiter erhöht auf 630 Abgeordnete – zwar deutlich weniger als gegenwärtig mit Überhangmandaten, aber mehr als früher mal üblich.
Das Grundproblem und der eigentliche Grund für die Reduzierungswünsche ist m.E. Politikverdrossenheit, die dazu führt, dass alle Parteien und Wählergruppen zunehmend Probleme haben, genügend Kandidaten und Mitwirkende zu finden.
Das löse ich aber vermutlich nur, wenn ich den kommunalen Gremien mehr Befugnisse und Rechte erteile – auch hier wieder eine Aufgabe auf Landesebene.
Unser Kommunalwahlrecht ermöglicht zwar die Direktwahl im Wahlbezirk, erfordert aber auch, um an der Mandatsverteilung teilzunehmen ein Antreten in allen Bezirken. Mehr Persönlichkeitswahl und die Auswahl von Kandidaten aus den Listen heraus, wie in den süddeutschen Bundesländern üblich, würde hier mehr Vielfalt und mehr Beteiligung schaffen.
Wir erleben immer wieder: Oft anlassbezogen und mit persönlicher Betroffenheit, sind Bürger an Themen interessiert und bringen sich ein, zur längerfristigen Mitarbeit ist aber kaum jemand bereit. Hier müssen Lösungen gefunden werden.
Dieses Thema nehmen entrückte Bundes- und Landespolitiker aber nicht mehr wahr!